Schnell sind martialische Begriffe wie Preiskrieg zur Hand. Denn Aldi bietet plötzlich nicht nur in Ausnahmefällen Markenartikel, sondern in immer mehr Segmenten. Die Kunden wollen es so. Das weitgehend auf Eigenmarken ausgerichtete Sortiment stößt an Grenzen, zumal gerade jüngere Kunden verstärkt nach Marke fragen. So finden Red Bull, Lenor, Always, ob, Carefree, weitere Nivea und Ferrero-Artikel, Leibniz-Kekse, Oreo und Gerolsteiner Medium ihren Platz im Aldi-Regal. Als reichte das allein noch nicht, um die Konkurrenz in Unruhe zu versetzen, bietet Aldi sie teilweise auch zu Preisen an, die sehr nahe oder sogar unter dem üblichen Aktionspreis der Wettbewerber liegen. Und damit nicht genug. Zusätzlich werden samstags noch diverse Markenartikel zu sehr attraktiven Preisen verkauft.
Die Folgen der neuen Preispolitik im Frühsommer sind zunächst Woche für Woche in den Handzetteln der Konkurrenten zu sehen. Besonders Kaufland und Lidl halten mit Macht dagegen und machen ihrerseits Kampfpreise, mit denen sie Aldi unterbieten. Denn Markenartikel zu aggressiven Preisen - diese Domäne wollen sie sich nicht kampflos von Aldi nehmen lassen. So beginnt ein Preiskampf ohne Rücksicht auf Verluste.
Aldi verkauft Funny Frisch zunächst für 1,29 Euro. Der Preis alleine ist schon ein Alptraum für den gesamten LEH, wo das gleiche Produkt bislang für 1,89 bis 1,99 Euro verkauft wurde. Die Antwort von Lidl kommt schnell. Der Rivale aus Neckarsulm senkt auf 1,19 Euro und dort bleibt er dann auch bis Jahresende. Bei der vehementen Reaktion von Lidl und Kaufland soll der Chef der Schwarz-Gruppe Klaus Gehrig ein gehöriges Wörtchen mitgeredet haben. "Wehret den Anfängen", so die Devise. Doch aufhalten können weder Lidl noch Kaufland die Marken-Listungen beim Branchenprimus. Deutlich wird auch, dass Aldi Süd und Aldi Nord das Projekt Marke koordiniert wie nie zuvor angehen. Zum Jahresende werden die Wochenendaktionen mit Marke quasi im Gleichschritt umgesetzt. Abschrecken lässt sich Aldi von den Markenlistungen offenbar ebenso wenig wie die Industrie. Dass die Manager in Mülheim und Essen dabei aggressiver vorgehen als früher, hat viel mit dem Verhalten der Konkurrenz zu tun. Denn ursprünglich geht Aldi mit Marken stets pfleglicher um. Intern spricht man im Süden längst von "fairen Preisen", das schließt nicht aus, dass es ein Produkt bei anderen Händlern schon einmal günstiger gibt.
Allerdings lernt der Discounter aus früheren Erfahrungen. Es soll nicht noch einmal so gehen wie bei der Einlistung von Coca-Cola, als der Discounter fast Woche für Woche von den Konkurrenten unterboten wird. Die Spielräume dafür werden jetzt kleiner. Dass der Konkurrenz damit auch üppige Ertragsquellen genommen werden sollen, würde die Aldi-Manager nie offen einräumen. Ein erwünschter Nebeneffekt ist es in jedem Fall.
Zum Jahresende kehrt etwas Weihnachtfreude ein. Statt den Preiskrieg weiter anzuheizen ohne weitere Aldi-Listungen verhindern zu können, verlegt sich die Konkurrenz darauf, stärker auf den Ertrag zu achten. Der eine oder andere Kampfpreis wird zurückgenommen und zugleich versucht, ertragsstärkere Artikel mehr in den Blickpunkt zu rücken. Das hindert sie allerdings nicht daran, zu den Festtagen dennoch vereinzelt Kampfpreise zu zeigen. Die Konkurrenz merkt, dass sie wohl oder übel mit den Aldi-Marken leben lernen muss. Und sie lernt auch, dass es keine Lösung ist, jeden Aldi-Preis zu unterbieten.
Lebensmittel Zeitung, Ausgabe 53/2015
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Aldi schockt die Branche
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